Tiefbau mit Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl

In dicht bebauten innerstädtischen Gebieten und in der Nähe technischer Anlagen, die schwingungsempfindlich sind, benötigt man für die Tiefgründung im Spezialtiefbau ein lärm- und erschütterungsarmes Verfahren. Ist der Baugrund wenig tragfähig, so ist eine Pfahlgründung notwendig. Eine Tiefgründung mit Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl ist für diese Bedingungen bestens geeignet und bringt den Vorteil der Abtragung hoher Lasten bei geringem Ressourcenverbrauch voll zur Geltung.

Tiefbau mit Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl

Anwendung im Spezialtiefbau

Anwendung findet die Technik mit Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl im Fall eines nicht oder nur wenig belastbaren Bodenuntergrundes. Die errichteten Ortbetonrammpfähle tragen die Lasten von Tragwerken in tiefere, tragfähige Bodenschichten ab. Tiefen bis zu 100 Metern sind mit einem kontrollierten Abteufen möglich. Man erreicht beim Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl einen Durchmesser von bis zu 2,50 Metern. Da man sehr große Tiefen erreichen kann, wird diese Technik der Pfahlgründung auch bei hohen Gebäuden im Spezialtiefbau verwendet. Hier kommt es besonders auf hohe Stabilität und Tragfähigkeit der Ortbetonrammpfähle an.

Beispiele für Tiefgründung mit Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl im Spezialtiefbau sind:

  • Häuser am Meer werden oft mit dieser Technik errichtet, da der Baugrund erst in größeren Tiefen tragfähig ist.
  • Mit einer Bohrtiefe von bis zu 110 Metern errichtete man in Saudi-Arabien mit 270 Pfählen den Jeddah Tower mit einer Gesamthöhe von über 1000 Metern.
  • Bis zu 84 Meter ragen die 262 Pfähle des 462 Meter hohen Lakhta Tower in St. Petersburg in den Boden.
  • Brückengründungen werden ebenso mit dieser Technik errichtet.

Der bei der Pfahlgründung hergestellte Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl ist ein Ortbetonpfahl nach DIN EN 12699. Ortbetonrammpfähle stellen eine Sonderform des Bohrpfahls dar und werden im Boden 'vor Ort' betoniert. Man stellt diese Ortbetonrammpfähle im Gegensatz zu den Stahlbetonfertigpfählen bei geringen Erschütterungen und verminderter Lärmbelastung her. Bei sehr sensiblen Örtlichkeiten ist ihr Einsatz im Spezialtiefbau daher oft die richtige Lösung. Schnelle und einfache Herstellung einer Pfahlgründung mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis zeichnet das System der Ortbetonrammpfähle aus.

Für die Anwendung der Technik bestehen keine speziellen Anforderungen an die örtlichen Gegebenheiten. Daher kommt der Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl dort zur Anwendung, wo andere Pfahl-Systeme nicht möglich sind.

Funktionsprinzip der Pfähle

Der Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl gehört zur Gruppe der Ortbetonrammpfähle. Diese Bezeichnung leitet sich von dem Umstand ab, dass man sie im Boden 'vor Ort' betoniert.

Ortbetonrammpfähle unterscheiden sich damit von Verbundpfählen und Fertigpfählen und sind in puncto ihrer Herstellung am flexibelsten. Fertigpfähle sind vorgefertigt und werden in Teilstücken montiert. Verbundpfähle bestehen aus vorgefertigten Traggliedern. Diese verpresst man im vorgefertigten Bohrloch mit Zementmörtel.

Vollverdrängungsschneckenbohrpfähle werden in vier Phasen hergestellt. In der ersten Phase schraubt man die hohle Endlosbohrschnecke in den Boden ein. Dies erfolgt praktisch frei von Erschütterungen und sehr geräuscharm.

In der zweiten Phase erfolgt die Bohrung, die man während des Abteuf-Vorgangs permanent überwacht und protokolliert. Zu den überwachten Daten gehört z.B. die Vorschubgeschwindigkeit und der Drehmoment. Dank der verlorenen Spitze gelangt kein Boden und Wasser in das Rohr. In dieser Phase ist es problemlos möglich die Bohrtiefe und damit die Länge des Bohrpfahls noch zu variieren. Die Endlosschnecke ist mit Boden gefüllt und stützt damit die Bohrlochwand.

In der dritten Phase presst man Beton, sobald die Solltiefe erreicht ist, unter hohem Druck durch die hohle Bohrschnecke in das Bohrloch. Die Bohrschnecke wird gezogen, gleichzeitig übt der eingepumpte Beton Druck auf die Bohrschnecke aus und bewegt sie zusätzlich nach oben. Wiederum erfolgt die Überwachung relevanter Daten wie z.B. Pfahlquerschnitt, Betondruck und Betonmenge etc. Damit ist eine lückenlose Dokumentation in CPS-Qualität gewährleistet.

In der letzten Phase entfernt man das an der Oberfläche angehäufte Bohrgut und rüttelt die Anschlussbewehrung in den noch frischen Beton, bevor dieser abbindet. Nachdem der Beton vollständig ausgehärtet ist, kappt man die Ortbetonrammpfähle auf Sollhöhe.

Unterscheidung der Pfähle

Schneckenbohrpfähle unterscheiden sich von anderen Bohrpfählen, indem sie eine kontinuierliche Bodenförderung ermöglichen. Die Wendeln der Schnecke transportieren den gelösten Boden an die Geländeoberfläche, wo er aufgenommen werden kann.

Man unterscheidet bei der Pfahlgründung im Spezialtiefbau zwischen Teil- und Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl und bezeichnet das zentral angeordnete Schneckenrohr als Seele. Beim Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl verwendet man ein dickes Seelenrohr, das den Boden beim Einbohren stärker verdrängt. Je nach Bodenbeschaffenheit verdrängt die Schnecke so den Boden fast vollständig zur Seite. Bei der Teilverdrängung fördert im Unterschied dazu die Bohrschnecke den Boden fast vollständig zu Tage, die Verdrängung in den umgebenden Boden erfolgt nur teilweise.

Vorteile von Vollverdrängungsschneckenbohrpfählen

Die Pfähle haben eine Reihe von Vorteilen, die sie für den Einsatz im innerstädtischen Bereich prädestinieren:

  • Das Herstellungssystem ist für die Tiefgründung bei beengten Platzverhältnissen geeignet, da es keinen Aushub produziert, sondern den Boden verdrängt.
  • Hohe Bohrleistung pro Tag kombiniert mit einem erschütterungsfreien und geräuscharmen Bohrverfahren erlaubt die Herstellung an sensiblen Örtlichkeiten.
  • Für die Pfahlgründung im Wohnungs-, Industrie- und Gewerbebau ist diese Technik nahezu ohne Einschränkungen nutzbar.
  • Sie eignen sich für alle Bodenarten.
  • Es ist nicht notwendig die Bohrlochwand zu sichern, da die mit Erde gefüllte Wendel des Schneckenbohrers eine ausreichende Stützung bewirkt.
  • Die Leistungsfähigkeit ist sehr hoch - Ortbetonrammpfähle betoniert man ohne den Bohrer vorher entfernen zu müssen. Das spart einen ganzen Arbeitsschritt. Müssen viele Pfähle gesetzt werden, führt dieser Umstand zu einer hohen Arbeitszeit- und damit Kostenersparnis.
  • Es besteht eine sehr gute Umweltverträglichkeit. Die Umweltbelastungen ist gering und die Technik sehr ressourcenschonend.
  • Die Herstellung ist sehr flexibel, da keine verrohrten Bohrungen nötig sind. Man realisiert damit ungeplante Änderungen im Vergleich zu verrohrten Systemen deutlich einfacher. Vor Ort ist es möglich auf die vorgefundenen Verhältnisse sehr flexibel einzugehen.
  • Man kann für Vollverdrängungsschneckenbohrpfähle beim Abteufen und Betonieren automatisch alle relevanten Daten erfassen. Der Geräteführer kontrolliert damit den Pfahlquerschnitt, den Betondruck, die benötigte Betonmenge und weitere wichtige Parameter. Eine lückenlose Protokollierung ist damit gewährleistet.

Andere Verfahren der Rammpfahlgründung im Spezialtiefbau haben im Vergleich dazu deutliche Nachteile, da sie ein platzaufwendiges Rammgerät erfordern und starke Erschütterungen verursachen.

Nachteile der Pfähle

Zu den Nachteilen zähl, dass das Tragverhalten des Bohrpfahls möglicherweise nachlassen kann, wenn es zu einer Auflockerung des umgebenden Erdreichs kommt und die Mantelung nicht mehr stark genug ist. Die herabgesetzte Mantelreibung kann bewirken, dass sich der Baugrund setzt. Schäden an der Bausubstanz können theoretisch die Folge sein. Der Vollverdrängungsschneckenbohrpfahl verdrängt jedoch den Boden und wirkt damit einer Auflockerung entgegen.

Fazit

Vollverdrängungsschneckenbohrpfähle sind schnell und einfach in der Herstellung. Sie sind wirtschaftlich und ressourcenschonend bei guter Umweltverträglichkeit. Dies sind Merkmale eines unverzichtbaren und bewährten Systems im Spezialtiefbau, das auch für herausfordernde örtliche Gegebenheiten im dicht besiedelten Gebiet bestens geeignet ist.